Zwischen der Überschreitung der, für einen bestimmten Bereich festgesetzten, Höchstgeschwindigkeit und einem Unfall außerhalb dieses Bereichs besteht kein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Und das, obwohl der Schutzzweck erfüllt ist.
Sachverhalt
Verfahrensgegenstand ist ein Verkehrsunfall, in den ein Motorradfahrer und ein Fahrradfahrer verwickelt waren. Der Fahrradfahrer befand sich auf einer Freilandstraße und hatte eine Hacke in der rechten Hand. Beim Versuch nach links abzubiegen, blickte er weder zurück noch ordnete er sich zur Fahrbahnmitte ein.
Der Lenker des Motorrades konnte den Zusammenstoß trotz sofortiger Reaktion nicht vermeiden. Sowohl beim Kläger (Lenker des Motorrades) als auch beim Beklagten (Lenker des Fahrrades) entstanden Personen- und Sachschäden.
Der Kläger machte geltend, dass den Beklagten Alleinverschulden treffe, da dieser gänzlich unvermittelt abbiegen wollte. Der Beklagte wendete ein, dass der Kläger durch seine überhöhte Geschwindigkeit im Ortgebiet, das kurz vor dem Unfallort endet, gegen den Schutzzweck des § 20 Abs 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen hat. Der Schutzzweck breite sich auch auf Unfälle außerhalb des Ortsgebietes aus. Daher treffe den Kläger jedenfalls Mitverschulden.
Rechtliche Beurteilung
Sowohl Erst- als auch Berufungsgericht entschieden auf gleichteiliges Verschulden beider Parteien. Einerseits sei der Kläger im Ortsgebiet zu schnell gefahren, andererseits habe sich der Beklagte nicht durch einen Schulterblick von der Möglichkeit eines gefahrenlosen Abbiegens überzeugt.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied, dass ein Verschulden des Beklagten unstrittig sei, da er unmittelbar gegen Regelungen der StVO verstoßen hat. Näher prüfte der OGH jedoch das Verschulden des Klägers:
Nach ständiger Rechtsprechung mangle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung in einem anderen Bereich geschieht, wie der spätere Unfall.
Der Kläger haftet jedoch als Halter des Motorrades auch nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG).
Der Kläger konnte nicht beweisen, dass er die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80km/h auf der Freilandstraße eingehalten hat. Dazu soll für ihn erkennbar gewesen sein, dass der Beklagte einen Gegenstand in einer Hand hielt. Durch diesen war es dem Beklagten nicht möglich, ein Handzeichen mit der anderen Hand zu geben.
Der OGH entschied, dass sich die Verschuldenshaftung des Beklagten und die Gefährdungshaftung des Klägers gegenüberstehen. Dadurch sei eine Schadensteilung angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens des Fahrradlenkers von 3 zu 1 zu Lasten des Beklagten angebracht.