Eine Obsorge darf durch das Pflegschaftsgericht ohne vorherige mündliche Verhandlung, ohne Befragung der Eltern und ohne persönlichen Kontakt nicht entzogen werden. Andernfalls bedeutet der Entzug des Sorgerechts einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß.

Das Erstgericht entzog den Eltern die Obsorge in den Bereichen Pflege und Erziehung ohne die Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens oder weiterer Einvernahmen und übertrug die Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger.

Der Oberste Gerichtshof hob diese Entscheidung auf und ordnete eine Verfahrensergänzung an. Mit der Entziehung der Obsorge sei regelmäßig ein Eingriff in das durch die Verfassung (gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verbunden. Eine Beschränkung der Obsorge darf nur das letzte Mittel sein und nur in Betracht gezogen werden, wenn ansonsten eine Gefährdung des Kindeswohls droht.

Um das Bestehen einer solchen Gefährdung beurteilen zu können, bedarf es konkreter Feststellungen durch das zuständige Gericht. In dieser Hinsicht erwies sich das erstinstanzliche Verfahren als ergänzungsbedürftig, da keine Befragung der Eltern oder des Jugendwohlfahrtsträgers zu den Missständen erfolgt war. Die bisherige Vorgangsweise des Erstgerichts, welches den Eltern niemals persönlich begegnet war, stellte einen nicht zu billigenden schweren Verfahrensverstoß dar.

 

OGH 20.9.2013, 5 Ob 63/13w