Prozessrecht

Das materielle bürgerliche Recht regelt, wer wem gegenüber welche Rechte und Pflichten hat. Sollte eine verpflichtete Person allerdings die Erfüllung ihrer Pflicht bzw. die Gewährung eines Rechtes verweigern, ist die Ausübung von Selbsthilfe durch den Berechtigten nur in sehr begrenztem Umfang möglich. Um den Rechtsfrieden zu wahren, ist grundsätzlich ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Ein Zivilprozess soll also feststellen, ob der in einer Klage behauptete Anspruch auch zu Recht besteht (Prozessrecht). Dabei wird zunächst durch Beweisaufnahme ein Sachverhalt festgestellt, um sodann auf diesen Sachverhalt die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen anzuwenden.

Wird am Ende dieses sogenannten Erkenntnisverfahrens dann ein Anspruch bejaht, aber vom Beklagten nicht freiwillig erfüllt, ist zusätzlich noch ein Exekutionsverfahren (Zwangsvollstreckungsverfahren) einzuleiten.

 

PROZESSGRUNDSÄTZE

DISPOSITIONSGRUNDSATZ

Frei nach dem Grundsatz „Wo kein Kläger, da kein Richter“ findet in Österreich ein Zivilprozess nur auf Initiative einer Partei statt. Das bedeutet, das Gericht wird einerseits nur in Folge einer Klagserhebung tätig und andererseits auch nur im Rahmen dieser Klage. Es wird daher nie mehr zugesprochen, als in der Klage geltend gemacht wurde. Die Prozessparteien haben nicht nur die Möglichkeit, ein Verfahren zu beginnen, sondern können dieses auch beenden. So kann der Kläger die Klage wieder zurücknehmen und/oder auf den Anspruch verzichten. Der Beklagte hingegen kann den Anspruch anerkennen. Gemeinsam können die Parteien den Prozess auch durch einen Vergleichsschluss beenden.

VERHANDLUNGSGRUNDSATZ

Demnach sind die Parteien dafür zuständig, den notwendigen Prozessstoff in das Verfahren einzubringen. Diese müssen daher die notwendigen Behauptungen aufstellen und auch die Beweise für diese Behauptungen anbieten.

MÜNDLICHKEITSGRUNDSATZ

Grundsätzlich kann nur das Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. In der Praxis ist dieser Grundsatz allerdings nicht konsequent verwirklicht. Klage, Klagebeantwortung, Einspruch, Rechtsmittel und weitere Schriftsätze werden grundsätzlich schriftlich erstattet und ein tatsächliches mündliches Vorbringen in der Verhandlung dann durch Bezugnahme auf diese schriftlichen Unterlagen ersetzt.

UNMITTELBARKEITSGRUNDSATZ

Grundsätzlich ist die Entscheidungsgrundlage nur das, was sich unmittelbar vor dem erkennenden Gericht (Richter) selbst abgespielt hat. Das bedeutet, dass der Prozess bei Richterwechsel grundsätzlich neu durchgeführt werden muss. Dieser Verpflichtung wird in der Praxis häufig durch einen reinen Formalakt nachgekommen.

ÖFFENTLICHKEITSGRUNDSATZ

Grundsätzlich ist jeder berechtigt, einer Gerichtsverhandlung beizuwohnen. Beratungen und Abstimmungen eines Richtersenats unterliegen allerdings der Geheimhaltung. Zum Schutz der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung sowie zum Schutz der Intimsphäre, Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder des Amtsgeheimnisses kann die Öffentlichkeit aber auch bei Gerichtsverhandlungen ausgeschlossen werden. In Ehesachen besteht grundsätzlich keine Volksöffentlichkeit.

GRUNDSATZ DES RECHTLICHEN GEHÖRS

Jeder, in dessen Rechte durch eine gerichtliche Entscheidung eingegriffen wird, hat das Recht, auch im Verfahren gehört zu werden. Dadurch wird den Parteien die Möglichkeit geboten, ihren Standpunkt bzw. ihre Sichtweise entsprechend einzubringen und zu den Vorwürfen der Gegenseite Stellung zu nehmen.

GRUNDSATZ DER VERFAHRENSKONZENTRATION

Bei diesem Grundsatz geht es insbesondere darum, den Prozess innerhalb einer angemessenen Frist abschließen zu können. Der Richter hat hier durch seine Prozessleitungsbefugnisse die Möglichkeit, Prozessverschleppungen zu verhindern.

 

VERFAHRENSABLAUF

MAHNVERFAHREN

Wird mit einer Klage lediglich die Zahlung eines Geldbetrages begehrt und übersteigt dieser Geldbetrag nicht EUR 75.000,00, wird ein sogenanntes Mahnverfahren durchgeführt. Das bedeutet, nach Erhebung der sogenannten Mahnklage erlässt das Gericht einen bedingten Zahlungsbefehl. Gegen diesen Zahlungsbefehl kann der Beklagte dann Einspruch erheben. Wir kein Einspruch erhoben, wird der Zahlungsbefehl rechtskräftig und damit auch vollstreckbar. Erhebt der Beklagte allerdings Einspruch, wird das ordentliche Verfahren eingeleitet. Ab diesem Punkt unterscheidet sich das Mahnverfahren dann nicht mehr von einem gewöhnlichen Verfahren.

ORDENTLICHES VERFAHREN

Grundsätzlich läuft ein Verfahren vor dem Gericht so ab, dass nach der Klageerhebung die beklagte Partei den Auftrag zur Klagebeantwortung bekommt. Wenn sich der Beklagte dann in den Streit einlässt, erhebt er eine Klagebeantwortung. Dies ist der auf Klageabweisung gerichtete Gegenantrag des Beklagten.

In weiterer Folge wird dann in der Regel eine vorbereitende Tagsatzung anberaumt. In dieser vorbereitenden Tagsatzung können die Parteien ihr Vorbringen erstatten und es wird ein Prozessprogramm für den Verlauf des weiteren Verfahrens festgelegt. Sodann findet eine (oder mehrere) weitere Tagsatzung statt. In dieser Tagsatzung werden die angebotenen Beweise aufgenommen (beispielsweise Parteien- und Zeugenvernehmungen, Sachverständigengutachten, …). Nach Schluss der Verhandlung ergeht dann ein Urteil. Wird gegen dieses Urteil nicht fristgerecht eine Berufung erhoben, wird dieses rechtskräftig und vollstreckbar. Erhebt eine der Parteien eine Berufung, wird diese nach Einholung der Berufungsbeantwortung des Gegners dem Gericht der zweiten Instanz (Landesgericht oder Oberlandesgericht) vorgelegt. Je nach Ermessen des Berufungsgerichtes findet dann eine mündliche Berufungsverhandlung statt oder nicht. Gegen das in weiterer Folge ergehende Berufungsurteil kann dann unter gewissen Voraussetzungen eine Revision an den OGH gerichtet werden. Nach Erstattung der Revisionsbeantwortung durch den Gegner fällt der OGH sodann ein Urteil, welches dann rechtskräftig und vollstreckbar ist.