Sicherungspflichten des Veranstalters eines Skirennens im freien Gelände

Der Veranstalter eines Skirennens im freien Gelände ist verpflichtet, auch atypische Gefahrenquellen, die sich im vorgegebenen Streckenverlauf befinden, abzusichern. Die Haftung für die Sicherung der Rennstrecke kann auch bei bloß leichter Fahrlässigkeit vertraglich nicht wirksam ausgeschlossen werden.

 

SACHVERHALT

Der Erstbeklagte veranstaltete ein Skirennen im freien Gelände. Die beiden Kläger nahmen daran teil und mussten eine Freizeichnungserklärung unterschreiben. In dieser stand unter anderem, dass die Teilnahme auf eigene Gefahr erfolge und auf die Erhebung jeglicher Forderungen gegenüber den Veranstaltern verzichtet werde. Weiters sei die Haftung des Veranstalters für sämtliche aus dem Skirennen möglicherweise resultierende Schäden ausgeschlossen.

Der Zweitbeklagte setzte den Kurs und fuhr die Strecke mit einer langsameren als im späteren Rennen zu erwartenden Geschwindigkeit ab. Er setzte die Torstangen dabei entsprechend seiner gefahrenen Spur.

Auf der Rennstrecke befand sich eine Geländekante mit einer anschließenden, tiefen Grabenmulde. Diese Mulde war jedoch erst bei unmittelbarer Annäherung an die Geländekante sichtbar. Der Zweitbeklagte schwang bei seiner Kurssetzungsfahrt vor dieser Kante nach links ab und setzte an diesem Bereich eine Torstange. Diese Torstange ließ die Rennteilnehmer annehmen, einen Sprung über die Geländekante machen zu müssen. Bei Renntempo würde ein solcher Sprung jedoch unweigerlich in der Grabenmulde enden, sodass diese Passage nur mit maximal 20 km/h bewältigt werden hätte können. Die Rennfahrer wurden auf diese Gefahr nicht hingewiesen.

Die Teilnehmer hatten keine Gelegenheit, den Streckenverlauf vor dem Rennstart zu besichtigen.

Das Skirennen wurde durch einen Massenstart eröffnet. Die Kläger fuhren mit ca. 40 bis 50 km/h. Sie folgten den vor ihnen liegenden Fahrern und wählten ebenfalls den direkten Weg über die Geländekante. Aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit kamen sie daraufhin im Graben zu Sturz.

Die Kläger begehrten daraufhin Schadenersatz von den beiden Beklagten. Sie beriefen sich dabei auf die Verletzung von Sicherungspflichten.

 

RECHTLICHE BEURTEILUNG

Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht sprachen aus, dass das Schadenersatzbegehren der Kläger grundsätzlich berechtigt sei. Der Veranstalter und seine Mitarbeiter hätten auch im freien Gelände auf die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmer zu achten. Jedoch sei den Klägern ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls anzulasten.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab dem Begehren der beiden Kläger hingegen in vollem Umfang statt. Er war der Ansicht, dass bei den Rennteilnehmern kein Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht vorlag und ihnen somit kein Mitverschulden angelastet werden könne.

Die Beklagten hätten die Rennteilnehmer vor atypischen Gefahren zu schützen gehabt. Eine Geländekante würde zwar einen Abhang bzw. einen größeren Sprung signalisieren, nicht aber eine Gefahr durch einen dahinter liegenden Graben. Die dadurch gegebene atypische Gefährdung sei von den Personen zu verantworten, die für die Sicherheit der Rennstrecke zu sorgen gehabt hätten.

Weiters sei die Vereinbarung über den Ausschluss der Haftung unwirksam, da diese im konkreten Fall gegen die guten Sitten verstoßen würde. Bei Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen im Rahmen eines Schirennens sei eine sogenannte „Freizeichnungsklausel“ auch bei bloß leichter Fahrlässigkeit der Verantwortlichen unwirksam.

 

OGH 20.05.2015, 7 Ob 68/15y